Chaos rund um den Presidents Cup

(von Peter Bolz) – Vier Tage lang, genauer gesamt vom 7. bis zum 10. April, wird in Bonn der neu ins Leben gerufene World Presidents Cup ausgetragen. Zum Erstaunen vieler Insider wurde diesem Turnier vom Weltverband der G2-Status verliehen. Ein stichhaltiger Grund für diese Großzügigkeit ist nicht erkennbar. Vielleicht lag es daran, dass dieses Turnier laut Bekunden der Europäischen Taekwondo Union (ETU) zu Ehren des WTF-Präsident Dr. Chungwon Choue durchgeführt wird. Wenn man bedenkt, dass in diesem Jahr in Europa insgesamt 16 (!) G-Turniere des Weltverbandes durchgeführt werden, klingt diese Begründung schon äußerst merkwürdig. Das ist aber – leider – beileibe nicht die einzige Merkwürdigkeit bei diesen Presidents Cups.

Der Presidents Cup wird in dem vor acht Jahren eröffneten Telekom Dome, der Sporthalle der Telekom Baskets Bonn, auf sechs Kampfflächen ausgetragen. Laut offiziellen Zahlen sollen sich für dieses Turnier deutlich über 1.500 Teilnehmer angemeldet haben. Wie viele es am Ende tatsächlich sind, lässt sich erst nach dem Ende der Registrierungen feststellen.

Man kann jetzt schon davon ausgehen, dass der Presidents Cup noch lange für Gesprächsstoff sorgen wird. Ein Grund dafür ist, dass speziell für dieses Turnier das Regelwerk des Weltverbandes und der ETU einfach außer Kraft gesetzt wurde. Und zwar in vielerlei Hinsicht.

Die Deutsche Taekwondo Union (DTU) ist sowohl Mitglied bei der World Taekwondo Federation (WTF) und darüber hinaus auch noch, zusammen mit 49 anderen europäischen Nationen, Mitglied bei der Europäischen Taekwondo Union (ETU). Außer diesen fünfzig Nationen hat die ETU keine weiteren Mitglieder. Wenn die ETU einen Ausrichter für eine Europameisterschaft sucht, kommen als Ansprechpartner nur die nationalen Verbände in Frage.

Versteckspiel mit dem Ausrichter

Bei der Ausrichtung des Presidents Cup wurde mit dieser eisernen Regel gebrochen. Wie in vielen Medienberichten zu lesen war, vergab die ETU die Ausrichtung des Presidents Cup an den Landesverband Nordrhein-Westfalen, also an die NWTU. Der damalige NWTU-Präsident Antonio Barbarino deutete  an, dass er den Presidents Cup nur dank seiner guten Kontakte zur ETU nach Deutschland holen konnte. Kein Wunder, denn Antonio Barbarino ist auch Schatzmeister in der ETU.

Vielen kam dieser Regelbruch der ETU-Funktionäre recht merkwürdig vor. Letzten Endes gab es aber keine Proteste, da jeder bemüht war, erneute Konflikte zu vermeiden. Die DTU machte sogar gute Miene zum bösen Spiel. Nach einem Antrag des NWTU-Präsidenten Barbarino unterstützte sie den Presidents Cup mit einer einmaligen Zahlung in Höhe von 25.000 Euro. Dabei wurden 5000,-€ direkt an die NWTU überwiesen, um den Landesverband bei der Organisation des President Cup finanziell zu unterstützen.

Wie bekannt sein dürfte, wurde Antonio Barbarino am 20. Februar von den nordrhein-westfälischen Vereinen als NWTU-Präsident abgewählt. Bei der Überprüfung der Unterlagen stellte das neu gewählte Präsidium fest, dass es keinen Vertrag für die Ausrichtung des Presidents Cup zwischen der ETU und der NWTU gibt – obwohl in der offiziellen Ausschreibung der ETU die NWTU als Ausrichter genannt wird.

Bei wem es sich jetzt tatsächlich um den Ausrichter des Presidents Cup handelt, weiß momentan wohl niemand so genau. Dem Vernehmen nach soll – zumindest nach außen – der Taekwondo Verein Swisttal als Ausrichter auftreten, und zwar mit tatkräftiger Unterstützung von Antonio Barbarino. Ob dies allerdings den Tatsachen entspricht, ist derzeit nicht genau bekannt.

Tatsache ist allerdings, dass die DTU den Betrag von 25.000 Euro als Zuschuss an die NWTU überwiesen hat. Davon wurden 20.000 Euro direkt an die ETU als so genannte Turnier(Lizenz-)gebühr überwiesen. Davon, dass die ETU den Presidents Cup von einem Verein und ETU-Offiziellen ausrichten lassen will, war nie die Rede. Es bleibt deshalb noch zu klären, ob die DTU unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Zahlung dieses Zuschusses veranlasst wurde.

Ein zweifelhafter Platz in der Sportgeschichte

Wenn man den vollmundigen Beteuerungen der ETU glauben will, wurde der Presidents Cup zu Ehren des WTF-Präsidenten Dr. Choue ins Leben gerufen. Es ist wohl eher eine fragwürdige Ehre, wenn man bedenkt, dass nur in Europa bereits 16 G-Turniere unter der Aufsicht des Weltverbandes ausgetragen werden. Was soll an einem siebzehnten Turnier so ehrenvoll sein? Irgendwie klingt das alles ein bisschen sonderbar.

Wegen der Masse an G-Turnieren stellte sich für die Organisatoren des Presidents Cups von Anfang an die Frage, wie man die Wettkämpfer dazu bringen kann, bei diesem Turnier an den Start zu gehen. Die Lösung, die von der ETU am Ende auch zielstrebig umgesetzt wurde, hat das Zeug, um in die Sportgeschichte einzugehen.

Zunächst einmal wurde dem Presidents Cup der G2-Status verliehen. Da der G-Faktor mit zehn multipliziert wird, bedeutet dies, dass sich bei den Senioren die Sieger der jeweiligen Gewichtsklasse 20 Rankingpunkte holen können.

Um auch noch die Anmeldungen bei der Jugend und den Kadetten richtig anzukurbeln, kamen einige die ETU-Offizielle auf die Idee, allen Teilnehmern eine direkte Qualifikation für die Teilnahme an der Europameisterschaft zu versprechen. Ursprünglich war geplant, dass neben den offiziell nominierten Nationalkämpfern alle Medaillengewinner bei der Europameisterschaft an den Start gehen dürfen. Später wurde dieses Zugeständnis dahingehend korrigiert, dass nur der Beste der Medaillengewinner neben dem offiziell Nominierten bei der Europameisterschaft an den Start gehen darf.

Das Poomse-Turnier des President Cup wurde sogar kurz vor dessen Austragung Schritt für Schritt „aufgewertet“. Zwei Wochen vor dessen Start waren ca. 84 Startermeldungen auf dem Anmeldeportal tpss.nl dokumentiert. Offensichtlich viel zu wenig für ein Weltturnier. Das sahen die Organisatoren vermutlich genau so. Ob es Zufall ist, dass die auch für das Poomse-Turnier geforderte Coach Lizenz für Trainer, kurzerhand gestrichen wurde? Ebenso wurde seitens der ETU kurzfristig vor Beginn des Turniers entschieden, dass auch den ersten vier Platzierten das Recht eingeräumt würde, auf der kommenden Poomse-Europameisterschaft zu starten. Ob nun Zufall oder nicht, ein schaler Beigeschmack bleibt hängen. Zumindest gelang es wohl auch durch diese Maßnahmen, die Anzahl der Starter auf ca. 176 zu verdoppeln.

Konzept einer „lustigen Runde“?

Irgendwie hat man den Eindruck, dass diese unglaubliche Idee nur in einer feucht-fröhlichen Runde entstanden sein kann. Zumindest klingt sie so! Laut eigenen Angaben auf der Homepage war der ETU-Council für diese Idee verantwortlich. Der ETU-Council besteht aus 22 Personen. Ob alle Council-Mitglieder an dieser „Nominierungs“-Idee mitgewirkt haben, darf ernsthaft bezweifelt werden. Man darf annehmen, dass er Gesprächskreis nur aus ein paar Köpfen bestand.

In der „lustigen“ Runde dürfte sich wohl niemand ernsthafte Gedanken über die Auswirkungen gemacht haben, die diese „Schnaps“-Idee zur Folge haben dürften. Kann und darf man mit Geldverdienen wirklich alle Prinzipien über Bord werfen? Dass mit derart locker ausgesprochenen Qualifikationsversprechungen die jahrelangen Leistungssportkonzepte der Nationen über den Haufen geworfen werden, spielte für diese ETU-Funktionäre ganz offensichtlich keine Rolle. Wichtiger war wohl, den Presidents Cup mit dem G2-Status und einer „Qualifikation für alle“ attraktiv zu machen – und die Leute dazu zu bringen, sich für das Turnier anzumelden und die sehr hohe Startgebühr zu bezahlen.

Über die naheliegende Frage, ob die geltenden Bestimmungen im Regelwerk des Weltverbandes eine derartige Qualifikation durch einen kontinentalen Verband überhaupt zulassen, scheint sich niemand ernsthafte Gedanken gemacht zu haben. Dabei hätte ein Blick auf die aktuellen „Competition Rules“ der WTF genügt, um den Unsinn abzublasen. Dort steht nämlich im Artikel 4 unter der Nummer 1.2, dass nur die Mitgliedernationen der WTF bestimmen dürfen, wer in ihrem Nationalteam bei einer Meisterschaft an den Start gehen darf. Ausnahmen müssen vom Weltverband genehmigt werden.

Man kann natürlich ins Grübeln kommen, ob der Weltverband nicht vielleicht doch leise, still und heimlich seine Zustimmung für diese Art der Qualifikation gegeben hat. Schließlich, und das sollte man an dieser Stelle noch einmal erwähnen, wurde der offensichtlich recht lukrative Presidents Cup ausschließlich zu Ehren von Präsident Dr. Chungwon Choue durchgeführt. Vielleicht wurde deshalb ein Auge zugedrückt?

Aber, und das ist wichtig, die Nationen sind auch in der Zukunft in allen Punkten aus der Verantwortung. Gemäß dem Konnexitätsprinzip greift hier das Sprichwort „Wer bestellt, zahlt!“.

Die Präsidenten der nationalen Verbände sollten endlich mal aufwachen und das tun, wofür sie von ihren Mitgliedern gewählt wurden. Momentan hat man das Gefühl, dass jeder Unsinn abgenickt und genehmigt wird, wenn man dafür im Gegenzug mit einem vollkommen unwichtigen Titel oder Posten belohnt wird. Absolut peinlich!

Chaos und klingelnde Kassen

Dass für die Wettkämpfer aus den Vereinen die Chance auf eine direkte Qualifikation zur Europameisterschaft sehr verlockend ist, war natürlich abzusehen. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass sich fast 1.600 Teilnehmer für den Presidents Cup anmeldeten.

Im Teilnehmerfeld befanden sich erstaunlich viele Wettkämpfer aus Griechenland. Erstaunlich deshalb, weil der griechische Verband am 24. März von der ETU suspendiert wurde. Dem Vernehmen erfolgte der Ausschluss, weil sich das sich das Ministerium in Griechenland strikt weigerte, die Trainerlizenzen anzuerkennen, die von der ETU für 1.000 Euro an die Sportler – als angeblich ministeriell anerkannt – vergeben wurden.

Für den Presidents Cup ist die ETU-Spitze offensichtlich irgendwie über ihren eigenen Schatten gesprungen. Um dem zahlenmäßig stark besetzten griechischen Team die Teilnahme in Bonn zu ermöglichen, wurde die erst vor kurzem ausgesprochene Suspendierung wieder ein bisschen gelockert und die Suspendierung für den President Cup vorübergehend aufgehoben. Vermutlich wird dieser juristische Zick-Zack-Kurs mit „eine Entscheidung zum Wohle des Sports“ begründet. Ob es bei dieser Entscheidung tatsächlich nur um edle Motive ging oder die Startgebühren eine Rolle gespielt haben könnten, muss jeder für sich entscheiden. Egal, wie man es letzten Endes sieht, bei solchen Entscheidungen nach „Gutsherren-Art“ bleibt immer ein ziemlich schaler Geschmack zurück.

Es liegt auf der Hand, dass die Ausrichter mit der Masse der Teilnehmer etwas überfordert sind. Bereits bei der Registrierung am ersten Tag kam es zum befürchteten Chaos mit Wartezeiten von über fünf Stunden. Einer der Gründe war wohl, dass in Bonn die ETU-Coachlizenzen konsequent überprüft wurden. Wer nicht im Besitz der vorgeschriebenen Coachlizenz war, konnte sich diese Lizenz für einen Betrag von 200 Euro kaufen. Da stellt sich die Frage, geht es bei dieser Coachlizenz allen Ernstes um das vermittelte Wissen oder nur um die Euros?

Laut Ausschreibung war eigentlich eine Kampfzeit mit 3 x 2 Minuten und einer einminütigen Pause zwischen den Runden vorgesehen. Da mit dieser Vorgabe der Zeitplan mit den sechs Kampfflächen nicht eingehalten werden kann, mussten die Kampfzeiten auf 3 x 1 Minute gekürzt werden. Bei einer doch sehr stattlichen Startgebühr von 100 Euro – üblich sind eigentlich 75 Euro – errechnet sich bei einer Niederlage ein ziemlich kostspieliger Minutenpreis.

Aber trotz der gekürzten Kampfzeiten hatten die Verantwortlichen ernsthafte Probleme, die Wettkämpfe in der vorgesehenen Zeit zwischen 9:00 Uhr und 22:00 Uhr durchzuführen. Am ersten Wettkampftag wurde der letzte Kampf um 23:41 Uhr ausgetragen. Aus diesem Grund wurde am zweiten Wettkampftag mit dem Beginn des Turniers bereits um 8:00 Uhr begonnen.

Man darf gespannt sein, wie es weitergeht!

Autor: Der Jo

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